Zwei Frauen halten sich im Arm

Mit Mut und Empathie

Vom Umgang mit sensiblen Themen 

In unseren Stories berichten wir immer wieder von den vielfältigen Themen, über die sich die Deutschlernenden und ihre Sprachpartner:innen in ihren Videochats austauschen. Dabei entstehen oft auch Freundschaften.

Meist geht es in den Gesprächen um alltägliche oder sprachliche Themen. Doch da Little World einen geschützten Raum bietet, kann es passieren, dass Deutschlernende, die auf schwierigen Wegen hierher gekommen sind, irgendwann den Mut finden, sich zu öffnen und von ihren Erlebnissen zu erzählen. 

Von zwei solchen Gesprächen, die tatsächlich bei Little World stattgefunden haben, wollen wir hier exemplarisch berichten. Dabei haben die Geflüchteten betont, wie wichtig es für sie ist, dass die Menschen von diesen Geschichten erfahren. Die Namen der Beteiligten wurden aber zu ihrem Schutz geändert.

Wenn sich Gesprächspartner:innen öffnen

„An dem Tag, an dem ich Luise meine Geschichte erzählt habe, geschah das ziemlich spontan“, erinnert sich Aisha. „Aber ich hätte es ihr wohl früher oder später ohnehin erzählt, weil sie immer so freundlich zu mir ist.“ Das Gespräch zwischen den beiden dreht sich zunächst ganz unverfänglich um ihre beiden aktuellen Wohnorte. Von der Frage, wie lange Luise schon in ihrer aktuellen Wohnung lebt, kommen die beiden auf das Thema Umzug und Aisha erzählt, dass sie in ihren etwas über 30 Jahren bereits mehrere Dutzend Mal umgezogen ist. 

Als Luise überrascht fragt, ob ihre Eltern vielleicht wegen ihrer Arbeit oft hätten reisen müssen, beginnt Aisha ihre Geschichte zu erzählen. Darin geht es um Verfolgung, Verschleppung, Bürgerkrieg und andere Gräuel, die sie zudem noch als Schwangere und dann allein mit Kleinkind erleben musste… Obwohl Luise nicht wirklich weiß, wie sie jetzt am besten reagieren soll, versucht sie zunächst einfach für Aisha da zu sein. 

„Du hast mir so aufmerksam zugehört“, bedankt sich Aisha später bei ihrer Gesprächspartnerin. „Als es schwierig wurde, hast du Empathie gezeigt und das hat mir Mut gemacht. Ich wusste, Du würdest das ernst nehmen.“ Besonders hat es Aisha geholfen, dass Luise ihre Gefühle gespiegelt hat. „Du hast gesagt: „Wie traurig, dass du so schlimme Dinge durchmachen musstest und auch hier noch so viel bewältigen musst.“ Das hat mir so viel bedeutet, weil Du es gesagt hast, bevor ich die Probleme hier überhaupt angesprochen habe. Das war einfach der beste Weg, mir zu sagen „Ich verstehe!“

Was anderes als in den Nachrichten

Auch Gertrud ist zunächst unsicher, wie sie reagieren soll, als ihr deutschlernender Gegenüber Farid von seiner Odyssee in einem Schlepperboot übers Mittelmeer zu erzählen beginnt. „Ich bin bis heute erschüttert über die Fluchtschilderung“, erinnert sich die Rentnerin. „Es ist schon was anderes, ob man in den Nachrichten davon hört oder ein Betroffener, den man mittlerweile sehr schätzt, das Ganze selbst beschreibt.“ 

Also versucht Getrud, sich behutsam vor zu tasten, hört zu, stellt Rückfragen. „Ich glaube, ich war emotionaler als er, da auf dem überfüllten Fluchtschiff auch Säuglinge, Alte und Kranke waren, die die Flucht nicht überlebt hätten, wenn das Schiff zum geplanten Hafen gefahren wäre. Durch eine Kollision auf offener See wurde das Fluchtschiff jedoch manövrierunfähig und musste in einen anderen Hafen geschleppt werden.“, fasst Gertrud Farids Erzählung zusammen. 

Als sie anmerkt, dass er und die anderen bei dieser Überfahrt hätten sterben können, kann Farid erst einmal nicht weiterreden, als hätte er diese Tatsache erst in diesem Moment wirklich realisiert. Als er wieder sprechen kann, sagt er nur, dass er einfach keine andere Wahl hatte und es riskieren musste. 

Einander ernst nehmen und offen sein

So schwierig dieses Thema für beide war, hatte Gertrud dennoch den Eindruck, dass es Farid gut getan hat, über all das zu sprechen. „Es ist wichtig, dem anderen zu zeigen, dass er „gesehen“ wird und dass er sich ernstgenommen fühlt.“ betont die Sprachpatin.

“Freundlich und offen sein, zeigen, dass man mit dem anderen fühlt und sich in ihn hinein zu versetzen versucht, etwas zu verstehen, auch wenn der andere es noch gar nicht angesprochen hat – das hilft doch jedem, sich verstanden zu fühlen“, bestätigt auch Aisha. 

Sowohl Luise als auch Gertrud empfinden es als eine Ehre, dass ihre deutschlernenden Partner:innen ihnen so viel Vertrauen geschenkt haben. Die Freundschaften zwischen den Muttersprachlerinnen und den Deutschlernenden sind an diesen Gesprächen jedenfalls nur noch mehr gewachsen.

Mehr über den Umgang mit Schilderungen von traumatischen Erlebnissen sowie passende professionelle Ansprechpartner haben wir in einem eigenen Artikel gesammelt.